Freie Texterin und Autorin

MELANIE

WILDT

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25.08.2024

Lesedauer 5 min

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Heterofatalismus – zum Scheitern verurteilt?

Anmerkung: Ich habe diesen Text schon einmal geschrieben. Dies ist eine überarbeitete Fassung.

Beginnen wir mit der wichtigsten Frage:

Was ist Heterofatalismus?

Es klingt wie ein neuer, feministischer Kampfbegriff, nach der latest trending Social Media Pathologisierung – und irgendwie dramatisch. Stimmen auch alles ein bisschen. Aber fangen wir von vorne an: Was ist das, Heterofatalismus? Zunächst mal ein Begriff, der in jüngster Vergangenheit und vor allem natürlich auf Social Media populär geworden ist. Fatalismus bedeutet ganz allgemein, nicht an die Wirksamkeit des eigenen Handelns zu glauben und das, was einem selbst widerfährt, dem Lauf des Schicksals zu unterwerfen. Selbsterklärte Ohnmacht also – oder auch einfach: Die Flinte ins Korn werfen und „ ich kann’s eh nicht ändern“ sagen. Setzt man diese Haltung jetzt in den Kontext von Heterosexualität, dann bedeutet es, dass die normativen Beziehungsdynamiken zwischen Männern und Frauen – also die klassischen Rollen – ein Teufelskreis sind, an dem man sich, ohne Aussicht auf Erfolg, abmüht. Der Linguist Asa Seresin beschreibt den Begriff in seinem Artikel „On Heteropessimism” als die Wahrnehmung von vorrangig heterosexuellen Frauen, dass ihre eigene sexuelle Orientierung eine Last darstellt, die in erster Linie Scham, Reue und Unfreiheit auslöst.

“Heterosexuality is bound to fail, and yet endeavors to succeed”

schreibt die Philosophin Judith Butler – und junge Menschen mit Herzschmerz fühlen’s hart auf Social Media.

Während der Begriff vor allem in den letzten fünf Jahren populär geworden ist und sich zum Beispiel im Galgenhumor solcher Videos wiederfindet, ist die Story von Frauen, die die Schnauze voll von Männern haben, allerdings echt alt. Ob nun Thelma und Louise 1991, die sich eher schwesterlich mit Kippe im Mundwinkel die Klippe runterstürzen, als sich weiter mit gewalttätigen und chauvinistischen Männern abzugeben – oder Jane Eyre 1847, die alleine in die Heide zieht, nachdem sie herausfindet, dass Mr. Rochester ihr seine Ehe mit einer anderen verheimlicht hat. Seinen Ursprung hat das „Männer sind Schweine“-Narrativ, das die Ärzte 1998 fröhlich besangen, während wir alle mitklatschten, in der klassischen, heteronormativen Rollenverteilung. Die da wäre:

Bindungsunfähige Macker und gefühlsduselige Püppchen

Knallharter, wortkarger, dominanter Er (reich) sucht sentimentale, redselige, sexy Hausfrau und Mutter für eine harmonische, gemeinsame Zukunft bis der Tod uns scheidet. Wenn man die Klischees eindampft, dann scheint es relativ offensichtlich, warum sich die langfristige Kompatibilität von Frauen und Männern in der Realität für viele als so gering herausstellt, dass sie lieber gleich aufgeben. Und es erklärt auch, warum es besonders Frauen sind, die angeben, eher das Zölibat zu wählen (und die heute anders als früher immerhin so unabhängig sein können, das auch tatsächlich und außerhalb des Klosters tun zu können) – ziehen sie in diesem Gefüge doch ganz klar den Kürzeren. 

„Especially under capitalism, where women now often take the second shift, doing most or all the unpaid care work alongside their paid labour, the maintenance of gender roles is exhausting.“ 

Voll übetrieben, so ist das ja gar nicht? So absurd und antiquiert die eingangs überspitze Gegenüberstellung für einige auch klingen mag – für erschreckend viele tut sie das nicht.

„Während jeder dritte Mann in Deutschland ein geschlossen antifeministisches oder sexistisches Weltbild hat, gilt Gleiches für jede fünfte Frau.“

So lautet das Ergebnis der Studie „Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten. Neue Herausforderungen – alte Reaktionen?“ der Uni Leipzig aus dem Jahr 2022. Ein Drittel der Männer und 20 % der befragten Frauen sind also cool damit, dass es zwischen Männern und Frauen eine klare Hierarchie gibt – Tendenz steigend. Und auch wenn es nicht die Mehrheit ist, so handelt es sich doch um unangenehm viele Menschen, die wählen gehen, Kinder großziehen und somit unsere Gesellschaft mitgestalten.

Diese Studie, die sich im Zuge der Rechtsextremismusforschung auch mit dem dort verankerten Antifeminismus befasst, stellt fest: Die Befürwortung archaischer Geschlechterrollen und damit die einer patriarchalen anstelle einer gleichberechtigten Ordnung ist nicht nur immer noch da, sie erlebt sogar eine Renaissance. Das zeigt sich nicht nur in Umfragen, sondern auch auch in der Politik. Darauf komme ich gleich nochmal zurück.

Radikalisierung der Genderdebatte

Es wird immer gern gesagt: Der Feminismus hat ja schon so viel erreicht. Es wird manchmal sogar gesagt: Was wollt ihr denn noch? Der Feminismus und damit das Bekämpfen der Geschlechterhierarchien hat schon einiges erreicht, das stimmt. Aber es ist offensichtlich ein Trugschluss, dass eine geänderte Gesetzeslage, neue Wordings und ein paar Quoten die Narrative, Vorbilder und eben auch die Rollenbilder, auf die unsere Kultur aufbaut, mit sofortiger Wirkung abschaffen können. 

Ein noch größerer Trugschluss ist es, dass die Ambitionen von FeministInnen als die Vorboten einer misandrischen, also einer männerfeindlichen Welt zu verstehen sind. Leider erliegen immer mehr Menschen diesen beiden Irrtümern – und bringen als „Produkt einer zeitgenössischer tektonischer Verschiebung der sozial Machtverhältnisse“ extreme Beispiele hervor:

  • Radikale Feministinnen, die kategorisch alle Cis-Männer hassen.

  • „Männer, lol“, ein lustiger aber leider nicht besonders konstruktiver Slogan auf Caps, Buttons und Hauswänden.

  • Heterosexuelle Südkoreanerinnen, die zu 4B’s werden (keine Männer, kein Sex, keine Kinder, keine Heirat), weil sie darin den einzigen Weg aus der traditionellen Rollenverteilung sehen.

  • Einige Frauen, die mit lesbisch „werden“ (political lesbianism).

Und auf der anderen Seite? Das sieht's nicht besser aus.

  • In der Manospherem, einem antifeministischem Netzwerk im Internet, wollen die MGTOWs (Men going their own way) die weibliche Bevölkerung wegghosten.

  • Incels vermuten hinter ihrer unfreiwilligen Sexlosigkeit eine weibliche Weltverschwörung und tauschen Vergewaltigungsphantasien aus.

  • „Manfluencer“ Andrew Tate postet auf X, dass Frauen Eigentum ihrer Männer sind und ihr Aussehen ihren Wert bestimmt – und 9,9 Millionen Follower lesen mit.

Retraditionalisierung in der Politik

Wie gesagt, extreme Beispiele. Das sind vornehmlich dogmatische PolemikerInnen, Einzelfälle und Internet-Kellerkinder, die irrational ihre individuellen Erfahrungen auf eine ganze demografische Gruppe projizieren. Könnte man meinen. Schaut man sich in der aktuellen politischen Entwicklungen um, lässt sich der „Geschlechterkampf“ leider nicht mehr so bagatellisieren.

  • Abtreibungen – und damit die Selbstbestimmung von Frauen – werden zur Zementierung hierarchischer Rollenverteilung in den USA, Polen oder Argentinien rekriminalisiert.

  • In Südkorea (bei den 4B’s) wird aktuell versucht, das Ministerium für Gleichberechtigung wieder zu schließen.

  • In Deutschland sackt die AfD mit ihrer Werbung für die Frau am Herd eine Wahl nach der nächsten ein.

  • In Großbritannien ist eine Steigerung von 37 % bei häuslicher Gewalt in den letzten vier Jahren zu verzeichnen

  • Tötungen durch den (Ex-) Partner sind weltweit immer noch die häufigste unnatürliche Todesursache bei Frauen.

Diese globale, mehr als besorgniserregende Entwicklung heißt Feminist Backlash und fußt auf populistischen Strohmann-Argumenten einer patriarchalen Machterhaltungslobby, die auf neue Herausforderungen keine Antworten hat und deswegen den Rückschritt bevorzugt. Was bedauerlicherweise Anklang findet.

Hörempfehlung: Was steckt noch hinter der Retraditionalisierung, woher kommt sie und welche dicken Probleme bringt sie mit sich? Dieser Beitrag im Dlf klärt darüber auf (dauert 20 Minuten).

Kein Vor, kein Zurück – also aufgeben?

Schaut man sich solche Entwicklungen an, kann man sich schon fragen: Bringt das alles überhaupt was? Sind Männer einfach von Natur aus Macker – eine Realität, der man sich entweder unterwerfen muss oder durch Zölibat, Hobbies und viele Katzen vielleicht entziehen kann? 

Es gibt einen wichtigen Aspekt, der bei dieser wie bei vielen anderen Genderdebatten hinten überfällt. Menschen männlichen Geschlechts sind definitiv nicht automatisch misogyne Patriarchen, auch wenn man den Eindruck gewinnen kann. Allen Männern eine frauenfeindliche Grundhaltung zu unterstellen ist sogar eine hochgradig sexistische Denkweise: Denn ihr liegt die Annahme zugrunde, dass Männer nur aufgrund ihrer Biologie anders handeln und denken, als Frauen. 

Der Feind, den wir bekämpfen müssen, sind aber nicht Männer. Es ist das Genderkonstrukt aus „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“, in dem Männer die Oberhand behalten und Frauen entweder wütend von unten gegen die Glasscheibe hämmern oder sich eben eine weniger frustrierende Aufgabe suchen. Bügeln zum Beispiel.

Und ausgerechnet da blitzt ganz unerwartet ein hoffnungsschimmernder Strohhalm im fatalistischen Heteromorast hervor. Wenn auch erst einmal nur ein kleiner.

Gleiche Verantwortung für alle 

Zunächst mal ist der Anreiz für "männliche" Männer, im Sinne der Gleichberechtigung ihre sozial vorgegebene Rolle infrage zu stellen, offensichtlich viel geringer als der marginalisierter Frauen. Männer kriegen mehr, Frauen wollen mehr (Geld, Orgasmen, Mitbestimmung, Gesundheit, Rente usw.). Wieso sollten sie also?

Wenn man die Hardliner mal außen vor lässt, ist ein typisch männlicher Umgang mit den Gleichberechtigungsambitionen von FeministInnen entsprechend oft Passivität, Indifferenz oder latent defensives Verhalten. Irgendwas zwischen „Holt euch doch meinetwegen euer Stück vom Kuchen, aber Hände weg von meinem“, „Den Schuh zieh’ ich mir nicht an“ und „Naja, macht ihr mal.”

Das Problem dabei: Solange nicht von beiden Seiten gleichermaßen die stereotypen Geschlechterstrukturen (und die daran gekoppelten Verhaltensmuster in Beziehungen) aufgelöst werden, wird sich das hierarchische System selbst erhalten. Oder anders gesagt: Wenn Männer sich weiter zu frauensnackenden Gewinnertypen stilisieren, die ein Flugzeug landen können, ohne zu wissen, wie das geht (also zu Idioten) wird nichts passieren. Wir brauchen mehr Feministen, Antimaskulinisten und Antisexisten (vor allem im Alltag). Also solche, die bereit sind, die Gerechtigkeit ihres sozialen Status Quo – und gleichermaßen ihre Angst vor dem Verlust davon – zu hinterfragen. Warum? Nennt es meinetwegen Zivilcourage. Oder die Einsicht, dass mehr glückliche Menschen eine glücklichere Gesellschaft formen.

Der Fokus liegt in der Genderdebatte ja landläufig darauf, die Rolle der Frau neu zu definieren. Es wird dabei vernachlässigt, dies auch mit der des Mannes zu tun. Wir können zwar Männer, die ihre suppressive, paternalistische Männlichkeit lieben, nicht zum Umdenken des „Kuchendenkens“ zwingen („wenn die mehr kriegen, hab ich weniger“) – denn der Versuch, Feminismus aufzuoktroyieren, geht immer in die Hose. 

Aber was ist eigentlich mit dem Männerbild, das Frauen in sich tragen, das so viel Enttäuschung hervorruft, dass sie reihenweise aus Verzweiflung verkünden, der eigenen Sexualität abzuschwören? 

Ich glaube, dass die Erwartungshaltung bei der Partnerwahl auf weiblicher Seite oft eine besonders wichtige Rolle spielt. Denn so ungern es sich selbst Feministinnen eingestehen: Auch wir haben die Klischees verinnerlicht. Ideale von heroischen Rettern, sexy Bad Boys, starken Beschützern und Versorgern, die dann aber trotzdem ihre Emotionen kommunizieren können, zu ihren Schwächen stehen, ihre Partnerin auf Händen tragen und keinerlei tradierten Sexismus verinnerlicht haben. Ein relevanter Teil bei der Abschaffung des Geschlechterrollenproblems liegt auch in der Verantwortung von Frauen. Nicht selten beobachte ich bei mir selbst und bei anderen derart unrealistische Erwartungen, die Enttäuschung vorprogrammieren – und so schnell aus allen Männern Schweine und aus uns Frauen ihre Opfer machen. 

Ein Strohhalm, zugegeben. Aber in jedem Fall besser, als die Hoffnung aufzugeben, oder?

„Rather than accepting that we don’t like how women and men are conditioned to behave particularly within the boundaries of a straight relationship, we should reflect on how this can change.“

Quellen:

https://thenewinquiry.com/on-heteropessimism/

https://sexualhealthalliance.com/nymphomedia-blog/are-you-a-heterofatalist

https://medium.com/@badrsadik981/andrew-tate-quotes-about-women-1ca6470132be

https://www.boell.de/sites/default/files/2022-11/decker-kiess-heller-braehler-2022-leipziger-autoritarismus-studie-autoritaere-dynamiken-in-unsicheren-zeiten_0.pdf


Anmerkung: Ich habe diesen Text schon einmal geschrieben. Dies ist eine überarbeitete Fassung.

Beginnen wir mit der wichtigsten Frage:

Was ist Heterofatalismus?

Es klingt wie ein neuer, feministischer Kampfbegriff, nach der latest trending Social Media Pathologisierung – und irgendwie dramatisch. Stimmen auch alles ein bisschen. Aber fangen wir von vorne an: Was ist das, Heterofatalismus? Zunächst mal ein Begriff, der in jüngster Vergangenheit und vor allem natürlich auf Social Media populär geworden ist. Fatalismus bedeutet ganz allgemein, nicht an die Wirksamkeit des eigenen Handelns zu glauben und das, was einem selbst widerfährt, dem Lauf des Schicksals zu unterwerfen. Selbsterklärte Ohnmacht also – oder auch einfach: Die Flinte ins Korn werfen und „ ich kann’s eh nicht ändern“ sagen. Setzt man diese Haltung jetzt in den Kontext von Heterosexualität, dann bedeutet es, dass die normativen Beziehungsdynamiken zwischen Männern und Frauen – also die klassischen Rollen – ein Teufelskreis sind, an dem man sich, ohne Aussicht auf Erfolg, abmüht. Der Linguist Asa Seresin beschreibt den Begriff in seinem Artikel „On Heteropessimism” als die Wahrnehmung von vorrangig heterosexuellen Frauen, dass ihre eigene sexuelle Orientierung eine Last darstellt, die in erster Linie Scham, Reue und Unfreiheit auslöst.

“Heterosexuality is bound to fail, and yet endeavors to succeed”

schreibt die Philosophin Judith Butler – und junge Menschen mit Herzschmerz fühlen’s hart auf Social Media.

Während der Begriff vor allem in den letzten fünf Jahren populär geworden ist und sich zum Beispiel im Galgenhumor solcher Videos wiederfindet, ist die Story von Frauen, die die Schnauze voll von Männern haben, allerdings echt alt. Ob nun Thelma und Louise 1991, die sich eher schwesterlich mit Kippe im Mundwinkel die Klippe runterstürzen, als sich weiter mit gewalttätigen und chauvinistischen Männern abzugeben – oder Jane Eyre 1847, die alleine in die Heide zieht, nachdem sie herausfindet, dass Mr. Rochester ihr seine Ehe mit einer anderen verheimlicht hat. Seinen Ursprung hat das „Männer sind Schweine“-Narrativ, das die Ärzte 1998 fröhlich besangen, während wir alle mitklatschten, in der klassischen, heteronormativen Rollenverteilung. Die da wäre:

Bindungsunfähige Macker und gefühlsduselige Püppchen

Knallharter, wortkarger, dominanter Er (reich) sucht sentimentale, redselige, sexy Hausfrau und Mutter für eine harmonische, gemeinsame Zukunft bis der Tod uns scheidet. Wenn man die Klischees eindampft, dann scheint es relativ offensichtlich, warum sich die langfristige Kompatibilität von Frauen und Männern in der Realität für viele als so gering herausstellt, dass sie lieber gleich aufgeben. Und es erklärt auch, warum es besonders Frauen sind, die angeben, eher das Zölibat zu wählen (und die heute anders als früher immerhin so unabhängig sein können, das auch tatsächlich und außerhalb des Klosters tun zu können) – ziehen sie in diesem Gefüge doch ganz klar den Kürzeren. 

„Especially under capitalism, where women now often take the second shift, doing most or all the unpaid care work alongside their paid labour, the maintenance of gender roles is exhausting.“ 

Voll übetrieben, so ist das ja gar nicht? So absurd und antiquiert die eingangs überspitze Gegenüberstellung für einige auch klingen mag – für erschreckend viele tut sie das nicht.

„Während jeder dritte Mann in Deutschland ein geschlossen antifeministisches oder sexistisches Weltbild hat, gilt Gleiches für jede fünfte Frau.“

So lautet das Ergebnis der Studie „Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten. Neue Herausforderungen – alte Reaktionen?“ der Uni Leipzig aus dem Jahr 2022. Ein Drittel der Männer und 20 % der befragten Frauen sind also cool damit, dass es zwischen Männern und Frauen eine klare Hierarchie gibt – Tendenz steigend. Und auch wenn es nicht die Mehrheit ist, so handelt es sich doch um unangenehm viele Menschen, die wählen gehen, Kinder großziehen und somit unsere Gesellschaft mitgestalten.

Diese Studie, die sich im Zuge der Rechtsextremismusforschung auch mit dem dort verankerten Antifeminismus befasst, stellt fest: Die Befürwortung archaischer Geschlechterrollen und damit die einer patriarchalen anstelle einer gleichberechtigten Ordnung ist nicht nur immer noch da, sie erlebt sogar eine Renaissance. Das zeigt sich nicht nur in Umfragen, sondern auch auch in der Politik. Darauf komme ich gleich nochmal zurück.

Radikalisierung der Genderdebatte

Es wird immer gern gesagt: Der Feminismus hat ja schon so viel erreicht. Es wird manchmal sogar gesagt: Was wollt ihr denn noch? Der Feminismus und damit das Bekämpfen der Geschlechterhierarchien hat schon einiges erreicht, das stimmt. Aber es ist offensichtlich ein Trugschluss, dass eine geänderte Gesetzeslage, neue Wordings und ein paar Quoten die Narrative, Vorbilder und eben auch die Rollenbilder, auf die unsere Kultur aufbaut, mit sofortiger Wirkung abschaffen können. 

Ein noch größerer Trugschluss ist es, dass die Ambitionen von FeministInnen als die Vorboten einer misandrischen, also einer männerfeindlichen Welt zu verstehen sind. Leider erliegen immer mehr Menschen diesen beiden Irrtümern – und bringen als „Produkt einer zeitgenössischer tektonischer Verschiebung der sozial Machtverhältnisse“ extreme Beispiele hervor:

  • Radikale Feministinnen, die kategorisch alle Cis-Männer hassen.

  • „Männer, lol“, ein lustiger aber leider nicht besonders konstruktiver Slogan auf Caps, Buttons und Hauswänden.

  • Heterosexuelle Südkoreanerinnen, die zu 4B’s werden (keine Männer, kein Sex, keine Kinder, keine Heirat), weil sie darin den einzigen Weg aus der traditionellen Rollenverteilung sehen.

  • Einige Frauen, die mit lesbisch „werden“ (political lesbianism).

Und auf der anderen Seite? Das sieht's nicht besser aus.

  • In der Manospherem, einem antifeministischem Netzwerk im Internet, wollen die MGTOWs (Men going their own way) die weibliche Bevölkerung wegghosten.

  • Incels vermuten hinter ihrer unfreiwilligen Sexlosigkeit eine weibliche Weltverschwörung und tauschen Vergewaltigungsphantasien aus.

  • „Manfluencer“ Andrew Tate postet auf X, dass Frauen Eigentum ihrer Männer sind und ihr Aussehen ihren Wert bestimmt – und 9,9 Millionen Follower lesen mit.

Retraditionalisierung in der Politik

Wie gesagt, extreme Beispiele. Das sind vornehmlich dogmatische PolemikerInnen, Einzelfälle und Internet-Kellerkinder, die irrational ihre individuellen Erfahrungen auf eine ganze demografische Gruppe projizieren. Könnte man meinen. Schaut man sich in der aktuellen politischen Entwicklungen um, lässt sich der „Geschlechterkampf“ leider nicht mehr so bagatellisieren.

  • Abtreibungen – und damit die Selbstbestimmung von Frauen – werden zur Zementierung hierarchischer Rollenverteilung in den USA, Polen oder Argentinien rekriminalisiert.

  • In Südkorea (bei den 4B’s) wird aktuell versucht, das Ministerium für Gleichberechtigung wieder zu schließen.

  • In Deutschland sackt die AfD mit ihrer Werbung für die Frau am Herd eine Wahl nach der nächsten ein.

  • In Großbritannien ist eine Steigerung von 37 % bei häuslicher Gewalt in den letzten vier Jahren zu verzeichnen

  • Tötungen durch den (Ex-) Partner sind weltweit immer noch die häufigste unnatürliche Todesursache bei Frauen.

Diese globale, mehr als besorgniserregende Entwicklung heißt Feminist Backlash und fußt auf populistischen Strohmann-Argumenten einer patriarchalen Machterhaltungslobby, die auf neue Herausforderungen keine Antworten hat und deswegen den Rückschritt bevorzugt. Was bedauerlicherweise Anklang findet.

Hörempfehlung: Was steckt noch hinter der Retraditionalisierung, woher kommt sie und welche dicken Probleme bringt sie mit sich? Dieser Beitrag im Dlf klärt darüber auf (dauert 20 Minuten).

Kein Vor, kein Zurück – also aufgeben?

Schaut man sich solche Entwicklungen an, kann man sich schon fragen: Bringt das alles überhaupt was? Sind Männer einfach von Natur aus Macker – eine Realität, der man sich entweder unterwerfen muss oder durch Zölibat, Hobbies und viele Katzen vielleicht entziehen kann? 

Es gibt einen wichtigen Aspekt, der bei dieser wie bei vielen anderen Genderdebatten hinten überfällt. Menschen männlichen Geschlechts sind definitiv nicht automatisch misogyne Patriarchen, auch wenn man den Eindruck gewinnen kann. Allen Männern eine frauenfeindliche Grundhaltung zu unterstellen ist sogar eine hochgradig sexistische Denkweise: Denn ihr liegt die Annahme zugrunde, dass Männer nur aufgrund ihrer Biologie anders handeln und denken, als Frauen. 

Der Feind, den wir bekämpfen müssen, sind aber nicht Männer. Es ist das Genderkonstrukt aus „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“, in dem Männer die Oberhand behalten und Frauen entweder wütend von unten gegen die Glasscheibe hämmern oder sich eben eine weniger frustrierende Aufgabe suchen. Bügeln zum Beispiel.

Und ausgerechnet da blitzt ganz unerwartet ein hoffnungsschimmernder Strohhalm im fatalistischen Heteromorast hervor. Wenn auch erst einmal nur ein kleiner.

Gleiche Verantwortung für alle 

Zunächst mal ist der Anreiz für "männliche" Männer, im Sinne der Gleichberechtigung ihre sozial vorgegebene Rolle infrage zu stellen, offensichtlich viel geringer als der marginalisierter Frauen. Männer kriegen mehr, Frauen wollen mehr (Geld, Orgasmen, Mitbestimmung, Gesundheit, Rente usw.). Wieso sollten sie also?

Wenn man die Hardliner mal außen vor lässt, ist ein typisch männlicher Umgang mit den Gleichberechtigungsambitionen von FeministInnen entsprechend oft Passivität, Indifferenz oder latent defensives Verhalten. Irgendwas zwischen „Holt euch doch meinetwegen euer Stück vom Kuchen, aber Hände weg von meinem“, „Den Schuh zieh’ ich mir nicht an“ und „Naja, macht ihr mal.”

Das Problem dabei: Solange nicht von beiden Seiten gleichermaßen die stereotypen Geschlechterstrukturen (und die daran gekoppelten Verhaltensmuster in Beziehungen) aufgelöst werden, wird sich das hierarchische System selbst erhalten. Oder anders gesagt: Wenn Männer sich weiter zu frauensnackenden Gewinnertypen stilisieren, die ein Flugzeug landen können, ohne zu wissen, wie das geht (also zu Idioten) wird nichts passieren. Wir brauchen mehr Feministen, Antimaskulinisten und Antisexisten (vor allem im Alltag). Also solche, die bereit sind, die Gerechtigkeit ihres sozialen Status Quo – und gleichermaßen ihre Angst vor dem Verlust davon – zu hinterfragen. Warum? Nennt es meinetwegen Zivilcourage. Oder die Einsicht, dass mehr glückliche Menschen eine glücklichere Gesellschaft formen.

Der Fokus liegt in der Genderdebatte ja landläufig darauf, die Rolle der Frau neu zu definieren. Es wird dabei vernachlässigt, dies auch mit der des Mannes zu tun. Wir können zwar Männer, die ihre suppressive, paternalistische Männlichkeit lieben, nicht zum Umdenken des „Kuchendenkens“ zwingen („wenn die mehr kriegen, hab ich weniger“) – denn der Versuch, Feminismus aufzuoktroyieren, geht immer in die Hose. 

Aber was ist eigentlich mit dem Männerbild, das Frauen in sich tragen, das so viel Enttäuschung hervorruft, dass sie reihenweise aus Verzweiflung verkünden, der eigenen Sexualität abzuschwören? 

Ich glaube, dass die Erwartungshaltung bei der Partnerwahl auf weiblicher Seite oft eine besonders wichtige Rolle spielt. Denn so ungern es sich selbst Feministinnen eingestehen: Auch wir haben die Klischees verinnerlicht. Ideale von heroischen Rettern, sexy Bad Boys, starken Beschützern und Versorgern, die dann aber trotzdem ihre Emotionen kommunizieren können, zu ihren Schwächen stehen, ihre Partnerin auf Händen tragen und keinerlei tradierten Sexismus verinnerlicht haben. Ein relevanter Teil bei der Abschaffung des Geschlechterrollenproblems liegt auch in der Verantwortung von Frauen. Nicht selten beobachte ich bei mir selbst und bei anderen derart unrealistische Erwartungen, die Enttäuschung vorprogrammieren – und so schnell aus allen Männern Schweine und aus uns Frauen ihre Opfer machen. 

Ein Strohhalm, zugegeben. Aber in jedem Fall besser, als die Hoffnung aufzugeben, oder?

„Rather than accepting that we don’t like how women and men are conditioned to behave particularly within the boundaries of a straight relationship, we should reflect on how this can change.“

Quellen:

https://thenewinquiry.com/on-heteropessimism/

https://sexualhealthalliance.com/nymphomedia-blog/are-you-a-heterofatalist

https://medium.com/@badrsadik981/andrew-tate-quotes-about-women-1ca6470132be

https://www.boell.de/sites/default/files/2022-11/decker-kiess-heller-braehler-2022-leipziger-autoritarismus-studie-autoritaere-dynamiken-in-unsicheren-zeiten_0.pdf


Anmerkung: Ich habe diesen Text schon einmal geschrieben. Dies ist eine überarbeitete Fassung.

Beginnen wir mit der wichtigsten Frage:

Was ist Heterofatalismus?

Es klingt wie ein neuer, feministischer Kampfbegriff, nach der latest trending Social Media Pathologisierung – und irgendwie dramatisch. Stimmen auch alles ein bisschen. Aber fangen wir von vorne an: Was ist das, Heterofatalismus? Zunächst mal ein Begriff, der in jüngster Vergangenheit und vor allem natürlich auf Social Media populär geworden ist. Fatalismus bedeutet ganz allgemein, nicht an die Wirksamkeit des eigenen Handelns zu glauben und das, was einem selbst widerfährt, dem Lauf des Schicksals zu unterwerfen. Selbsterklärte Ohnmacht also – oder auch einfach: Die Flinte ins Korn werfen und „ ich kann’s eh nicht ändern“ sagen. Setzt man diese Haltung jetzt in den Kontext von Heterosexualität, dann bedeutet es, dass die normativen Beziehungsdynamiken zwischen Männern und Frauen – also die klassischen Rollen – ein Teufelskreis sind, an dem man sich, ohne Aussicht auf Erfolg, abmüht. Der Linguist Asa Seresin beschreibt den Begriff in seinem Artikel „On Heteropessimism” als die Wahrnehmung von vorrangig heterosexuellen Frauen, dass ihre eigene sexuelle Orientierung eine Last darstellt, die in erster Linie Scham, Reue und Unfreiheit auslöst.

“Heterosexuality is bound to fail, and yet endeavors to succeed”

schreibt die Philosophin Judith Butler – und junge Menschen mit Herzschmerz fühlen’s hart auf Social Media.

Während der Begriff vor allem in den letzten fünf Jahren populär geworden ist und sich zum Beispiel im Galgenhumor solcher Videos wiederfindet, ist die Story von Frauen, die die Schnauze voll von Männern haben, allerdings echt alt. Ob nun Thelma und Louise 1991, die sich eher schwesterlich mit Kippe im Mundwinkel die Klippe runterstürzen, als sich weiter mit gewalttätigen und chauvinistischen Männern abzugeben – oder Jane Eyre 1847, die alleine in die Heide zieht, nachdem sie herausfindet, dass Mr. Rochester ihr seine Ehe mit einer anderen verheimlicht hat. Seinen Ursprung hat das „Männer sind Schweine“-Narrativ, das die Ärzte 1998 fröhlich besangen, während wir alle mitklatschten, in der klassischen, heteronormativen Rollenverteilung. Die da wäre:

Bindungsunfähige Macker und gefühlsduselige Püppchen

Knallharter, wortkarger, dominanter Er (reich) sucht sentimentale, redselige, sexy Hausfrau und Mutter für eine harmonische, gemeinsame Zukunft bis der Tod uns scheidet. Wenn man die Klischees eindampft, dann scheint es relativ offensichtlich, warum sich die langfristige Kompatibilität von Frauen und Männern in der Realität für viele als so gering herausstellt, dass sie lieber gleich aufgeben. Und es erklärt auch, warum es besonders Frauen sind, die angeben, eher das Zölibat zu wählen (und die heute anders als früher immerhin so unabhängig sein können, das auch tatsächlich und außerhalb des Klosters tun zu können) – ziehen sie in diesem Gefüge doch ganz klar den Kürzeren. 

„Especially under capitalism, where women now often take the second shift, doing most or all the unpaid care work alongside their paid labour, the maintenance of gender roles is exhausting.“ 

Voll übetrieben, so ist das ja gar nicht? So absurd und antiquiert die eingangs überspitze Gegenüberstellung für einige auch klingen mag – für erschreckend viele tut sie das nicht.

„Während jeder dritte Mann in Deutschland ein geschlossen antifeministisches oder sexistisches Weltbild hat, gilt Gleiches für jede fünfte Frau.“

So lautet das Ergebnis der Studie „Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten. Neue Herausforderungen – alte Reaktionen?“ der Uni Leipzig aus dem Jahr 2022. Ein Drittel der Männer und 20 % der befragten Frauen sind also cool damit, dass es zwischen Männern und Frauen eine klare Hierarchie gibt – Tendenz steigend. Und auch wenn es nicht die Mehrheit ist, so handelt es sich doch um unangenehm viele Menschen, die wählen gehen, Kinder großziehen und somit unsere Gesellschaft mitgestalten.

Diese Studie, die sich im Zuge der Rechtsextremismusforschung auch mit dem dort verankerten Antifeminismus befasst, stellt fest: Die Befürwortung archaischer Geschlechterrollen und damit die einer patriarchalen anstelle einer gleichberechtigten Ordnung ist nicht nur immer noch da, sie erlebt sogar eine Renaissance. Das zeigt sich nicht nur in Umfragen, sondern auch auch in der Politik. Darauf komme ich gleich nochmal zurück.

Radikalisierung der Genderdebatte

Es wird immer gern gesagt: Der Feminismus hat ja schon so viel erreicht. Es wird manchmal sogar gesagt: Was wollt ihr denn noch? Der Feminismus und damit das Bekämpfen der Geschlechterhierarchien hat schon einiges erreicht, das stimmt. Aber es ist offensichtlich ein Trugschluss, dass eine geänderte Gesetzeslage, neue Wordings und ein paar Quoten die Narrative, Vorbilder und eben auch die Rollenbilder, auf die unsere Kultur aufbaut, mit sofortiger Wirkung abschaffen können. 

Ein noch größerer Trugschluss ist es, dass die Ambitionen von FeministInnen als die Vorboten einer misandrischen, also einer männerfeindlichen Welt zu verstehen sind. Leider erliegen immer mehr Menschen diesen beiden Irrtümern – und bringen als „Produkt einer zeitgenössischer tektonischer Verschiebung der sozial Machtverhältnisse“ extreme Beispiele hervor:

  • Radikale Feministinnen, die kategorisch alle Cis-Männer hassen.

  • „Männer, lol“, ein lustiger aber leider nicht besonders konstruktiver Slogan auf Caps, Buttons und Hauswänden.

  • Heterosexuelle Südkoreanerinnen, die zu 4B’s werden (keine Männer, kein Sex, keine Kinder, keine Heirat), weil sie darin den einzigen Weg aus der traditionellen Rollenverteilung sehen.

  • Einige Frauen, die mit lesbisch „werden“ (political lesbianism).

Und auf der anderen Seite? Das sieht's nicht besser aus.

  • In der Manospherem, einem antifeministischem Netzwerk im Internet, wollen die MGTOWs (Men going their own way) die weibliche Bevölkerung wegghosten.

  • Incels vermuten hinter ihrer unfreiwilligen Sexlosigkeit eine weibliche Weltverschwörung und tauschen Vergewaltigungsphantasien aus.

  • „Manfluencer“ Andrew Tate postet auf X, dass Frauen Eigentum ihrer Männer sind und ihr Aussehen ihren Wert bestimmt – und 9,9 Millionen Follower lesen mit.

Retraditionalisierung in der Politik

Wie gesagt, extreme Beispiele. Das sind vornehmlich dogmatische PolemikerInnen, Einzelfälle und Internet-Kellerkinder, die irrational ihre individuellen Erfahrungen auf eine ganze demografische Gruppe projizieren. Könnte man meinen. Schaut man sich in der aktuellen politischen Entwicklungen um, lässt sich der „Geschlechterkampf“ leider nicht mehr so bagatellisieren.

  • Abtreibungen – und damit die Selbstbestimmung von Frauen – werden zur Zementierung hierarchischer Rollenverteilung in den USA, Polen oder Argentinien rekriminalisiert.

  • In Südkorea (bei den 4B’s) wird aktuell versucht, das Ministerium für Gleichberechtigung wieder zu schließen.

  • In Deutschland sackt die AfD mit ihrer Werbung für die Frau am Herd eine Wahl nach der nächsten ein.

  • In Großbritannien ist eine Steigerung von 37 % bei häuslicher Gewalt in den letzten vier Jahren zu verzeichnen

  • Tötungen durch den (Ex-) Partner sind weltweit immer noch die häufigste unnatürliche Todesursache bei Frauen.

Diese globale, mehr als besorgniserregende Entwicklung heißt Feminist Backlash und fußt auf populistischen Strohmann-Argumenten einer patriarchalen Machterhaltungslobby, die auf neue Herausforderungen keine Antworten hat und deswegen den Rückschritt bevorzugt. Was bedauerlicherweise Anklang findet.

Hörempfehlung: Was steckt noch hinter der Retraditionalisierung, woher kommt sie und welche dicken Probleme bringt sie mit sich? Dieser Beitrag im Dlf klärt darüber auf (dauert 20 Minuten).

Kein Vor, kein Zurück – also aufgeben?

Schaut man sich solche Entwicklungen an, kann man sich schon fragen: Bringt das alles überhaupt was? Sind Männer einfach von Natur aus Macker – eine Realität, der man sich entweder unterwerfen muss oder durch Zölibat, Hobbies und viele Katzen vielleicht entziehen kann? 

Es gibt einen wichtigen Aspekt, der bei dieser wie bei vielen anderen Genderdebatten hinten überfällt. Menschen männlichen Geschlechts sind definitiv nicht automatisch misogyne Patriarchen, auch wenn man den Eindruck gewinnen kann. Allen Männern eine frauenfeindliche Grundhaltung zu unterstellen ist sogar eine hochgradig sexistische Denkweise: Denn ihr liegt die Annahme zugrunde, dass Männer nur aufgrund ihrer Biologie anders handeln und denken, als Frauen. 

Der Feind, den wir bekämpfen müssen, sind aber nicht Männer. Es ist das Genderkonstrukt aus „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“, in dem Männer die Oberhand behalten und Frauen entweder wütend von unten gegen die Glasscheibe hämmern oder sich eben eine weniger frustrierende Aufgabe suchen. Bügeln zum Beispiel.

Und ausgerechnet da blitzt ganz unerwartet ein hoffnungsschimmernder Strohhalm im fatalistischen Heteromorast hervor. Wenn auch erst einmal nur ein kleiner.

Gleiche Verantwortung für alle 

Zunächst mal ist der Anreiz für "männliche" Männer, im Sinne der Gleichberechtigung ihre sozial vorgegebene Rolle infrage zu stellen, offensichtlich viel geringer als der marginalisierter Frauen. Männer kriegen mehr, Frauen wollen mehr (Geld, Orgasmen, Mitbestimmung, Gesundheit, Rente usw.). Wieso sollten sie also?

Wenn man die Hardliner mal außen vor lässt, ist ein typisch männlicher Umgang mit den Gleichberechtigungsambitionen von FeministInnen entsprechend oft Passivität, Indifferenz oder latent defensives Verhalten. Irgendwas zwischen „Holt euch doch meinetwegen euer Stück vom Kuchen, aber Hände weg von meinem“, „Den Schuh zieh’ ich mir nicht an“ und „Naja, macht ihr mal.”

Das Problem dabei: Solange nicht von beiden Seiten gleichermaßen die stereotypen Geschlechterstrukturen (und die daran gekoppelten Verhaltensmuster in Beziehungen) aufgelöst werden, wird sich das hierarchische System selbst erhalten. Oder anders gesagt: Wenn Männer sich weiter zu frauensnackenden Gewinnertypen stilisieren, die ein Flugzeug landen können, ohne zu wissen, wie das geht (also zu Idioten) wird nichts passieren. Wir brauchen mehr Feministen, Antimaskulinisten und Antisexisten (vor allem im Alltag). Also solche, die bereit sind, die Gerechtigkeit ihres sozialen Status Quo – und gleichermaßen ihre Angst vor dem Verlust davon – zu hinterfragen. Warum? Nennt es meinetwegen Zivilcourage. Oder die Einsicht, dass mehr glückliche Menschen eine glücklichere Gesellschaft formen.

Der Fokus liegt in der Genderdebatte ja landläufig darauf, die Rolle der Frau neu zu definieren. Es wird dabei vernachlässigt, dies auch mit der des Mannes zu tun. Wir können zwar Männer, die ihre suppressive, paternalistische Männlichkeit lieben, nicht zum Umdenken des „Kuchendenkens“ zwingen („wenn die mehr kriegen, hab ich weniger“) – denn der Versuch, Feminismus aufzuoktroyieren, geht immer in die Hose. 

Aber was ist eigentlich mit dem Männerbild, das Frauen in sich tragen, das so viel Enttäuschung hervorruft, dass sie reihenweise aus Verzweiflung verkünden, der eigenen Sexualität abzuschwören? 

Ich glaube, dass die Erwartungshaltung bei der Partnerwahl auf weiblicher Seite oft eine besonders wichtige Rolle spielt. Denn so ungern es sich selbst Feministinnen eingestehen: Auch wir haben die Klischees verinnerlicht. Ideale von heroischen Rettern, sexy Bad Boys, starken Beschützern und Versorgern, die dann aber trotzdem ihre Emotionen kommunizieren können, zu ihren Schwächen stehen, ihre Partnerin auf Händen tragen und keinerlei tradierten Sexismus verinnerlicht haben. Ein relevanter Teil bei der Abschaffung des Geschlechterrollenproblems liegt auch in der Verantwortung von Frauen. Nicht selten beobachte ich bei mir selbst und bei anderen derart unrealistische Erwartungen, die Enttäuschung vorprogrammieren – und so schnell aus allen Männern Schweine und aus uns Frauen ihre Opfer machen. 

Ein Strohhalm, zugegeben. Aber in jedem Fall besser, als die Hoffnung aufzugeben, oder?

„Rather than accepting that we don’t like how women and men are conditioned to behave particularly within the boundaries of a straight relationship, we should reflect on how this can change.“

Quellen:

https://thenewinquiry.com/on-heteropessimism/

https://sexualhealthalliance.com/nymphomedia-blog/are-you-a-heterofatalist

https://medium.com/@badrsadik981/andrew-tate-quotes-about-women-1ca6470132be

https://www.boell.de/sites/default/files/2022-11/decker-kiess-heller-braehler-2022-leipziger-autoritarismus-studie-autoritaere-dynamiken-in-unsicheren-zeiten_0.pdf


Melanie Wildt / Freie Texterin und Autorin
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